Works

Adam & Eva

Adam & Eva

Leuchtkasten 81 x 54,5 x 10 cm und Texttafel

Signed certificate

WV 2006-05-01

Eva spielt mit dem elektronischen Fensterheber. Für ihre Sicherheit im Fahrzeuginnern sorgen intelligente Airbags sowie Seiten-Airbags im gesamten Innenraum. Auch Evas Sitz verfügt über eine eigene Klimasteuerung. E-Mail-Zugang und einen von IBM entwickelten LCD-Bildschirm mit Abspielfunktionen von DVD. Präzise berechnete Verstärkungen im Bereich der Schweller und stabile Übergänge an den Verbundsknoten von A- und B-Säulen sowie Bodengruppen verschaffen dem Fahrzeug eine hohe Verwindungssteifigkeit. Detaillierte Schwingungsanalysen und lokale Karosseriemassnahmen stellen den Komfort sicher. Adam setzt eine Pilotenbrille auf und beschleunigt. Evas Antilopenhals spannt sich. Die Bordlektüre von Helmut Newton scheint ihr eine plötzliche Übelkeit zu verursachen. Adam beschleunigt stärker. Die pannensicheren Run-Flat-Reifen, die 20-Zoll-Magnesiumräder, das ABS-System, die Antriebs-Schlupfregelung und die Brembo-Bremsen werden aktiv von der Fahrdynamikregelung gesteuert.1

Vorbeihuschende Landschaftseindrücke mischen sich: das Bild erinnert an niederländische Idyllen des 16. Jahrhunderts. Vier Männer stehen in einem zartgrünen Feld, unter einem seltsam kolorierten Himmel erledigen sie gelassen ihre Arbeit. Sie versuchen eine Algenpest zu beseitigen.2 Adam verlangsamt für einen Moment die Fahrt. Am Mississippi angekommen sehen sie überflutetes Farmland, es sind wohl mehr als 100 000 Hektar. Liegen gebliebene Züge, Deiche sind gebrochen.3 Auf einer 60 km langen Bergstrasse liegen an mehreren Stellen beeindruckende Felsbrocken, beschädigte Talbrücken, Helikopter, Flussbote. Die nun folgende Stadt gleicht einem Kriegsgebiet, die nach Leichen riecht. Jeder Zweite ist tot. Eine zusammen gestürzte Grundschule wird von der Polizei abgeriegelt. Ein paar hundert Meter weiter am Fluss entlang, haben die ersten Menschen ihre Notunterkünfte bezogen.4

Adam fährt mit 220 Kilometern pro Stunde aus einer Linkskurve in eine Herde von 1800 Merinoschafen. Viele Tiere sind auf der Stelle tot. Eva übergibt sich. (…)

Ein prächtiger Sonnenuntergang am Horizont beendet den Tag.

1 Nach dem Essay AutoErotik von Daniele Muscionico aus dem Jahr 2003.
2 Scheinbar idyllisch, Der Boom in China heizt seit Jahren die Umweltverschmutzung an. FAZ, Juni 08
3 Dammbruch am Mississippi, SZ, Juni 08
4 Panorama: Einen Monat nach dem Erdbeben in China, SZ, Nr. 141, Juni 08

Das Colorama mit dem Titel Adam & Eva ist Teil einer Serie von Porträtstudien aus unterschiedlichsten, meist medialen Zusammenhängen, in denen die Frage nach der Kontinuität unserer Schönheitsideale gestellt wird.

Keine Zeit! Keine Zeit!
Werkgruppe
Einzelausstellung, Galerie Stadtpark, Krems/A
10.05.06 – 10.06.06

Der Titel der Ausstellung, Keine Zeit! Keine Zeit!, mag eine vertraute Erschöpfungsphantasie der Gegenwart assoziieren, das Programmatische der Werke jedoch ist – zunächst – mehr Analyse denn Phantasie: Dagmar Varady setzt für ihre Arbeit voraus, dass die Bedingungen der Möglichkeit, Zeit zu entwerfen, sie zu gestalten, sie als bedingt, also als vergänglich, zu erfahren oder sie als Ereignis exstatisch zu erleben, heute nicht mehr gelten. Gleiches gilt natürlich für die Bedingungen des körperlich erfahrbaren Raumes. Auch diese sind teils obsolet geworden, das geographische Maß löst sich auf zu(un)gunsten von Relationen der Intensität im Wahrnehmen und Sich-Begegnen, die nicht-materiell, nicht-absolutistisch funktionieren. Kurz: Die Bedingungen zum/des Menschseins sind heute fragwürdig geworden, die Conditio Humana ist erschöpft – und das ist eines der Themen der Austellung. (Marc Ries, Naturen, Auszug)